"Die Endlichkeit des Seins" oder ganz platt "Zeiten verändern dich"

Hallo ihr Lieben,

es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn ich behaupte, dass die letzten Wochen mitunter zu den bisher schwierigsten in meinem Leben zählten. Ich musste kämpfen. Ich musste darum kämpfen, ein normales Leben führen zu können. 

Seitdem weiß ich eine Sache viel mehr zu schätzen als je zuvor: Gesundheit. Man weiß nicht wie wichtig und kostbar sie ist, bis man sie verliert. Isbesondere, wenn man nicht weiß, ob man sie jemals wieder erlangen wird. 

Im Mai wurde bei mir Alopecia Areata (umgangssprachlich auch Kreisrunder Haarausfall) festgestellt. Bei dieser chronischen Form des Haarausfalls stößt der Körper die eigenen Haare aus, da er denkt diese seien gefährliche Fremdkörper. Es ist noch nicht geklärt, warum er das tut. Genauso wenig gibt es eine Behandlungsmöglichkeit, die mit hundert prozentiger Wahrscheinlichkeit irkung und Besserung zeigt. Alopecia areata ist so individuell wie der Mensch, den es befällt. Es bleiben kahle Stellen, entweder am Kopf oder am Körper (je nachdem wo einen die Alopecie befällt). Im April bemerkte ich die erste kahle Stelle, es dauerte aber noch bis Mai bis ich einen Termin beim Hautarzt bekam. Dann hatte ich tatsächlich schon drei oder vier kahle Stellen am Kopf.


Ich bekam eine Cortisoncreme für die kahlen Stellen verschrieben und wurde in eine Hautklinik eingewiesen. Dort hatte ich bereits zweimal eine Cortison-Stoßtherapie erhalten, 250mg je Tag, drei Tage lang. Zwischen den beiden Therapien lagen vier Wochen. 

Vorweg, ich habe nicht gut auf das Cortison reagiert. Zu Beginn hatte ich bereits unglaubliche Schmerzen in der Brust. Diese vergingen nach der ersten Stoßtherapie allerdings zum Glück wieder. Es kam die zweite. Zunächst vertrug ich das Cortison besser. Nach den drei Tagen im Krankenhaus ging ich ganz normal zur Arbeit. Aber das erwies sich als Fehler.

Am vierten Tag nach der Cortison-Therapie ging es mir zunächst gut. Doch nachdem ich zusammen mit meinen Kolleginnen eine kleine Pause eingelegt hatte, fühlte ich mich ganz plötzlich wie in Watte gelegt. Ich nahm alles nur noch beiläufig war. Ich hatte den Eindruck, nicht mehr richtig sehen zu können. Meine Hände zitterten. Ich dachte zunächst an einen Migräneanfall. Daraufhin sah ich Blitze, mir wurde übel und ich fühlte mich vollkommen kraftlos in den Armen und Beinen. Schließlich hatte ich den Eindruck noch nicht einmal richtig denken und sprechen zu können. Einfach alles war zu große Anstrengung für mich. 
Obwohl ich hätte nach Hause gebracht werden können, musste ich schließlich mit einem Krankenwagen abgeholt werden. Ich konnte mich schlichtweg gar nicht bewegen. Im Krankenwagen fing ich schließlich an zu zittern. Doch das verging schließlich zum Glück.
Eines sei an dieser Stelle einmal eingeschoben: Sanitäter machen einen verdammt guten Job! Ich war so unglaublich dankbar dafür, dass ich jemanden da hatte, der neben mir saß, mich genau beobachtete und sich um mich kümmerte. Ich merkte, dass dieser Sanitäter sehr kompetent war und war dafür sehr dankbar. Denn ich hatte furchtbare Angst. So etwas war mir noch nie passiert.
Am selben Tag wurde es erst nicht besser. Ich hatte zwar Hunger, aber noch nicht einmal genügend Kraft zum Essen, bzw. zum Schlucken.
Ich blieb noch fünf Tage im Krankenhaus. Fünf Tage, an denen ich mir unsicher darüber war, ob ich den nächsten überleben werde. Aber mein Zustand besserte sich. Jedoch nur sehr langsam. So langsam, dass mir langsam die Geduld ausging.

Im Krankenhaus fand man bei all den Untersuchungen schlichtweg nichts. Nichts am Herzen, nichts am Gehirn. Aber warum fühlte ich mich dann wie eine siebzigjährige Frau?
In den Tagen danach (ich war noch eine Woche krankgeschrieben, Gott sei Dank) hatte ich oft Tage und Nächte, in denen ich das Gefühl hatte schlecht Luft zu bekommen. Infolge dessen atmete ich oft zu tief und hyperventilierte fast. Einmal war das Gefühl sogar so schlimm, dass ich erneut ins Krankenhaus musste. Aber eine Lungenbeteiligung konnte ausgeschlossen werden. Leichtes Asthma, damit kann man leben.
Selbst in meiner letzten Arbeitswoche (ich gehe Anfang Oktober studieren) fühlte ich mich unglaublich müde und ausgelaugt. Aber ich zog es durch, wegen der liegengebliebenen Aufgaben und meinen Kollegen/innen. Es war schließlich die allerletzte Arbeitswoche. 

Ich ging meinem Unwohlsein noch mehr auf den Grund. Anscheinend hatte ich die zweite Stoßtherapie nicht gut vertragen, aber ich wollte wissen, warum. Zumal mir der Hautarzt versicherte, dass diese Therapien normalerweise recht gut vertragen werden.
Und schließlich kam alles ins Rollen. Der Grund: Ich forschte selbst nach. Das scheint sehr wichtig in unserem Gesundheitssystem zu sein. Ich wette, mir würde es jetzt immer noch so schlecht wie vor ein paar Wochen gehen, hätte ich (mit Unterstützung meiner Familie) nicht ständig nachgehakt und mich informiert. 
Ich kam zu einer neuen Hautärztin, eigentlich weil ich mir Besserung durch Akupunktur an den kahlen Stellen erhoffte. Sie schaute sich meine letzten Blutergebnisse an und stelle fest, dass ich im März (einen Monat bevor der Haarausfall anfing) massiven Ferritinmangel hatte. Ferritin ist dafür verantwortlich, dass die Haare gesund wachsen. Dieser Zusammenhang erschien mir sehr schlüssig. Es wurde noch einmal Blut abgenommen, aber fortan sollte ich zwei Mal eine 100mg Tablette "Ferro sanol" am Tag einnehmen. 
Parallel ließ ich bei uns in der Apotheke einen D3-Test in Auftrag geben. Er ergab einen massiven D3-Mangel. Ich hatte einen Wert von 4. Das ist ein sehr niedriger Wert, wenn man bedenkt, dass der Normwert bei 20 liegt. Ich nehme seitdem (das ist etwa zwei Wochen her) jeden Tag drei Tabletten dern 4000er Einheit ein.

Es ist kaum zu glauben, aber seitdem geht es mir viel, viel besser. Manchmal habe ich noch Kopfschmerzen und etwas Ohrenrauschen, aber auch diese Beschwerden bessern sich. Ich fühle mich viel stärker als vorher, das Gefühl scheint mir beinahme befremdlich.
Ich denke, meine Reaktion auf das Cortison ist mit meinem Vitamin- und Eisenmangel zu erklären. Es ist schließlich sehr auffällig, dass es mir besser geht, seitdem ich die Präparate nehme.

Warum erzähle ich euch all das?
Nun ja, ich habe schon sehr viele Ärzte kennengelernt. Und ich weiß, dass viele ständig unter Stress sind, sich kaum richtig um den Patienten kümmern können. Sie neigen dazu, schnell Mittel zu verschreiben und in meinem Fall Chemie in ihre Patienten reinzupumpen. Aber vergessen dabei, ein richtiges Auge auf ihre Patienten zu werfen. Nach den Blutwerten zu sehen und genau auf den Grund zu gehen um zu ermitteln, warum beispielsweise eine Alopecie ausbricht. Wer gut ernährt ist neigt schließlich weniger zu Haarausfall, oder? Auch wenn es keine Garantie dafür gibt, Alopecie durch Nahrungsergänzungsmittel zu stoppen, so ist es doch auf jeden Fall einen Schritt wert um den Körper nicht mit chemischen Mitteln zu belasten. 
Bei dem System vieler Ärzte heutzutage ist es unglaublich wichtig, selbst hartnäckig zu sein, wenn man eine Untersuchung haben möchte und Beschwerden hat, diese aber nicht ernst genug genommen werden. Das ist nicht penetrant, sondern unser Recht als Patient. 
Ich habe mir in den letzten Wochen oft gedacht, dass ich noch jung bin, viel vor habe und auch dazu ein Recht habe, gesund zu sein. Das hat mir viel Kraft gegeben, genauso wie all die lieben Menschen um mich herum.

Auch möchte ich allen, die auch an Alopecia areata leiden, Mut geben. Vor ein paar Monaten habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, dass ich meine Haare verliere. Für mich gab es nichts Schlimmeres. Jetzt weiß ich, so blöd das für manche klingen mag: Es sind nur Haare. Solange du ansonsten geistig und körperlich fit bist und keine Schmerzen, keinen Schwindel hast, solange du sonst normal deinen Alltag leben kannst, kann es dir nicht besser gehen. Gesundheit ist das größte Gut auf Erden. Und wir machen uns oft viel zu viele Gedanken um viel zu unwichtige Dinge.

Ein Gutes hatte die Cortison-Stoßtherapie für mich: Meine Haare wachsen wieder, zumindest teilweise. Aber die dritte wird nicht mehr folgen. Sollte es noch besser werden, dann ist es nicht notwendig, noch mehr Chemie in mich reinzupumpen.

Alles Liebe,

eure Juli

PS: Wenn ihr Fragen zu Alopecia Areata habt, dann stellt sie gerne unten in den Kommentaren. Und teilt mir auch gerne eure Erfahrungen über Behandlungsmöglichkeiten etc mit. Auch, wenn ihr noch weitere Posts über Alopecie lesen möchtet :-)

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