"Hallo ich bin Juli und ich habe einen Knall."

Hallo ihr Lieben,

die letzten zwei Wochen war ich im Urlaub an der polnischen/ deutschen Ostsee und ich habe es sehr genossen, an meine bisher liebsten Urlaubsorte zurückkehren zu können. Es war kein wirklicher Entspannungsurlaub, sondern ein "Auf die Beine kommen"-Urlaub. Aber genau das habe ich gebraucht. Wieso erkläre ich euch in diesem Post.

Auf Instagram (@phantasmasblog) hatte ich euch schon angekündigt, dass meine geplanten Posts später online kommen würden. Der Grund: Ich war im Krankenhaus. Leider kamen diese Posts bis heute nicht und das tut mir wirklich Leid. Der Grund war, dass ich nach meinem Krankenhausaufenthalt nur einige Tage Zeit hatte, bis wir in den Urlaub gefahren sind. Und mir wurde gesagt, ich sollte mich nicht unter Stress setzen.

Ich kam Mitte August ins Krankenhaus und mir war, um es sehr direkt auszudrücken, nicht klar ob ich wieder rauskommen würde ... Im letzten Post hatte ich euch von einem "Kribbeln" erzählt, welches mir damals neue Sorgen bereitete. Mit der Zeit wurden die Symptome nur noch schlimmer. Das Kribbeln, ähnlich wie Ameisenlaufen, breitete sich aus. Es war mal dort, mal dort. Aber überall einmal. Hinzu kamen Muskel- und Nervenschmerzen, unerklärbare Wärme- und Kältegefühle, Erbrechen, Appetitlosigkeit, starke Kopfschmerzen, Ohrengeräusche, flimmerndes Sehen und teilweise vollkommene Schwächegefühle in den Armen und Beinen, die einem Taubheitsgefühl nahe kommen. Allein der Weg zum Krankenhaus war unglaublich schwer für mich, da ich ständig das Gefühl hatte, gleich ohnmächtig zu werden. Das Gehen erforderte viel Überwindung. 

Die Tage davor hatte ich abends teilweise ein plötzliches Zittern im ganzen Körper und war der Ohnmacht nahe. Jeden Abend dachte ich, ich würde die nächste Nacht nicht überstehen und wollte, dass immer jemand bei mir war. Die Nächte konnte ich kaum schlafen, da immer wenn ich in den Schlaf fiel mein Herz anfing zu rasen und ich ein Ohrenrauschen hörte. Ich hatte ständig absurde Albträume, bei denen ich mich fragte wie mir solche Sachen nur in die Gedanken kommen konnten. Es waren für mich sehr schlimme Albträume. Von Tag zu Tag wurden die Symptome schlimmer, ich aß nicht und schlaf nicht. Ich war in ständiger Anspannung, weil ich glaubte sterben zu müssen.

Die erste Nacht im Krankenhaus war genau so. Todesangst plagte mich. Am nächsten Morgen erzählte ich dem Chefarzt, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Er sagte, dass das nicht so weitergehen würde und machte mir einen Termin bei der hauseigenen Psychologin. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon den Glauben an eine Heilung verloren. "Vielleicht soll es einfach nicht sein. Vielleicht soll alles hier zu Ende gehen", dachte ich mir bereits zu dem Zeitpunkt und war beinahe bereit mein vermutetes Ende anzunehmen. Das mag hart klingen, aber so schwach fühlte ich mich zu dem Zeitpunkt. Ich hatte noch nicht einmal Energie um einen Gang zu verrichten, ohne das Gefühl zu haben, gleich ohnmächtig zu werden oder Herzrasen zu bekommen. Alles konzentrierte sich darauf, zu überleben.

"Herr Dr. H. hat mir von Ihnen erzählt. Ist es grundsätzlich so, dass der Bedarf für ein psychologisches Gespräch besteht?", fragte mich die Psychologin, als ich dann ihr gegenüber saß.
Ich nickte und musste augenblicklich anfangen zu weinen.
Mitleidvoll sah sie mich an. "Entschuldigung", sagte ich leise. 
"Sie brauchen sich für nichts zu entschuldigen", erklärte sie. "Schauen Sie, sehen Sie die Blume dort? Sie können gerne ein Blatt rauszupfen." Sie deutete auf eine Papierschachtel, in der sorgfältig kleine Taschentücher zu einer Blüte gefaltet waren. Vorher hätte ich nie gedacht, dass sie aus Taschentüchern besteht. (Mein kunstbegeistertes Herz schlägt mal wieder höher :-D). Bei dem Versuch ein Blütenblatt herauszuziehen zog ich beinahe die ganze Blume auseinander. Ich konnte das Schlimmste verhindern und steckte alle wieder in die Schachtel :-D Wir lachten leicht auf. Ich begann ihr von meinen Symptomen zu erzählen.
"Verspüren Sie manchmal so ein Ameisenkribbeln in den Beinen?", fragte sie mich da. Ich war überrascht, nickte aber. 
"Haben Sie auch Ohrengeräusche?" "Ja, so ein Rauschen", antwortete ich. "Genau.", sagte sie, "Und haben Sie manchmal das Gefühl, dass sie auch lange danach noch Berührungen nachspüren können?" Ich nickte.
"Manchmal vielleicht auch so ein Brennen unter den Fußsohlen?" "Ja genau in diesem Moment", antwortete ich und erinnere mich immer noch an dieses starke Brennen.
"Leiden Sie unter Schlaflosigkeit? Haben Sie manchmal Herzrasen? Leiden Sie unter Konzentrationsschwäche und dem Eindruck, dass Sie sich manchmal an Dinge, die kurz vorher passiert sind, nicht erinnern können? Fühlen Sie manchmal eine Enge in der Brust, haben Atemnot oder ein plötzliches Zittern im ganzen Körper? Haben Sie manchmal das Gefühl Sie würden ohnmächtig werden? Leiden Sie unter Appettitlosigkeit und einem weichen, manchmal vollkommen flüssigen Stuhl? Haben Sie auch manchmal den Eindruck nicht klar sehen zu können und Kopfschmerzen?" Jede dieser Fragen konnte ich mit "Ja" beantworten, manchmal erklärte ich noch etwas zusätzlich und Sie stimmte mir immer zu. Eine Entspannung und Erleichterung machte sich in mir breit. Da verstand mich jemand, ohne dass ich mehr zu erzählen brauchte. Gab es doch noch Hoffnung?
"Sie haben alle Symptome einer generalisierten Angstsörung", erklärte Sie mir daraufhin und auch, was dies war. Bei einer generalisierten Angststörung spielen oft Zukunftsängste eine Rolle oder Ängste und Sorgen um die eigene Person und nahe stehende Personen.
Genaueres dazu findet ihr zum Beispiel bei Wikipedia
Sie verschrieb mir, damit ich wieder schlafen konnte, das Medikament "Mirtazapin" (Wirkstoff Remergil). Es beruhigt die Psyche, soll aber nicht abhängig machen. 
"Am besten kommen Sie erst einmal aus dem Alltag heraus. Was ist für Sie Entspannung?", fragte sie. "Am Meer sein", erklärte ich voller Fernweh. "Dann fahren Sie ans Meer", riet sie mir, "Versuchen Sie so weit es geht Stress zu vermeiden. Wachen Sie morgens ohne einen Wecker auf, frühstücken Sie entspannt. Erholen Sie sich." Ich erzählte ihr von unserem geplanten Ostseeurlaub. "Na das ist doch perfekt! Und um ihr Studium müssen Sie sich keine Sorgen machen. Eine solche Angststörung kann man sehr gut behandeln. Sie können damit sehr gut studieren gehen."
Wir sprachen noch über eine Reihe weiterer Dinge, die ich aber für zu persönlich erachte, um Sie hier noch weiter auszuführen. Es ging dabei auch um meine Beziehung zu den mir engsten Menschen und ich lernte so auch mehr über mich, was ich recht spannend fand.
"Sie sind jetzt bestimmt sehr müde oder?", fragte sie zum Ende unseres Gesprächs. Ich nickte. Ich war vollkommen fertig, aber fühlte mich gleichzeitig auch besser. "Das muss sehr anstrengend für Sie gewesen sein. Gehen Sie jetzt einfach zurück aufs Zimmer, lesen Sie etwas oder hören Sie Musik. Entspannen Sie sich etwas." 
Ich weiß noch genau, dass ich sehr dankbar war, als ich mich von ihr verabschiedet habe und was ich dachte, als ich zurück zu meinem Zimmer ging: "Das war das Beste, was mir hätte passieren können."

Sofort fühlte ich mich besser, ich hatte auf einmal viel mehr Energie. Auch fiel mir auf, dass ich direkt nach dem Gespräch wieder etwas Hunger bekam. Was die Psyche mit einem macht ... Die nächste Nacht schlief ich dank des Mirtazapins schon fast zu gut. Ich schlief ein und wachte im nächsten Moment auf und wusste schon beinahe nicht was passiert war. Ich war am nächsten Morgen noch etwas benebelt. Aber in den nächsten Tagen gewöhnte ich mich mehr daran. Meine Kribbel- und Schmerzsymptome sowie das Rauschen im Ohr verschwanden fast vollständig. Ich bekam wieder Hunger. Und was für einen. Ich hatte noch zwei kurze Fragegespräche mit mir, in denen sie mir erklärte, dass die Nervenbahnen die ganzen Anspannungen durch jenes Kribbeln, die Schmerzen und die Wärme- und Kältegefühle versucht hatten abzuleiten. Dadurch, dass ich wieder schlafen konnte, wurden die Symptome selbstverständlich weniger und der Körper hatte endlich wieder die Möglichkeit sich zu entspannen. Das ist nämlich das Schlimmste an solch einer Angststörung: Dass es einem so schwer fällt sich zu entspannen.

Wie geht es nun für mich weiter? Ich bin gerade schon fleißig auf Therapeutensuche, leider nimmt jene Psychotherapeutin keine Patienten ambulant auf. Bei so einer Angststörung ist es wichtig, dass das eigene Denken lernt, andere Wege zu gehen. Manche Symptome sind weg, doch bei anderen merke ich, dass sie wiederkommen, sobald ich mir Sorgen mache. Ich muss nur denken "Hoffentlich ist mein Freund gut zu Hause angekommen." wenn mein Freund sich mal eine Stunde nicht meldet und schon spüre ich ein starkes Stechen im Gesäß (der Schmerz, der momentan bei Sorgen immer bei mir auftritt). Das legt sich schließlich aber, wenn die Sorgen unbegründet waren (was sie eigentlich IMMER sind). Das "Legen" dauert aber dann noch eine Weile, weil ich mich erst wieder darauf konzentrieren muss, mich zu entspannen. 
Die Therapeutensuche gestaltet sich momentan etwas mühselig, ich habe über zehn Therapeuten durchtelefoniert und hoffe, dass ich bei einem auf der Warteliste sehr schnell hochrutsche. In der Regel muss man nämlich mindestens einen Monat auf einen Platz warten. Wenn nicht sogar viel länger.
Dazu habe ich mich im Internet über "Sofortmaßnahmen" bei Panikattacken und ähnlichem informiert. Präventiv soll es auch sein, eine Entspannungstechnik regelmäßig anzuwenden. Ich habe die progressive Muskelentspannung für mich entdeckt. Diese gibt dem Körper wieder die Möglichkeit, zwischen Anspannung und Entspannung differenzieren zu können und Entspannung zu üben. Denn wie ihr bereits gelesen habt entsteht viel bei dieser Störung durch Anspannung.
Auch habe ich mich für die Zeit, in der ich keinen Therapieplatz habe bei einer Art "Online-Workshop" angemeldet: der "Anti-Angst-Akademie". Denn solch eine Angstsörung zu bekämpfen erfordert viel Eigeninitiative, Mut und Kraft. Man muss sich STÄNDIG seinen Ängsten stellen, bei ganz absurden alltäglichen Sachen. So muss ich jetzt erst einmal wieder lernen, mich ohne schlechtes Gewissen alleine aus dem Haus trauen zu können. Ohne Angst, eine Panikattacke zu bekommen oder ohnmächtig zu werden. In zeitlichen Abständen können bei diesem Kurs verschiedene Lektionen bearbeitet werden. Bisher finde ich den Kurs sehr gut und kann ihn euch nur weiterempfehlen, im ersten Monat kostet er nur einen Euro.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir in den Kommentaren von euren Erfahrungen erzählt. Habt ihr selbst eine Angststöung oder kennt ihr jemanden damit? Was sind eure Beschwerden und wodurch wurden diese bei euch ausgelöst? Solch eine Angststörung hat nämlich, wie wir alle, viele Gesichter.

Quelle: http://fragileheartxxx.tumblr.com/post/130221638498/e-m-pi-r-e-vane-sya-source-instagram

Alles Liebe,

eure Juli

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